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Klagen gegen Epic Games wegen Geldillusion und Suchtpotential in Fortnite: 520 Millionen Strafe

In den USA und in Kanada sind aktuell zwei Klagen gegen den Spielehersteller "Epic Games" wegen seines Battle Royal Games "Fortnite" anhängig, das sich vor allem wegen seines Comicstils seit 2017 sehr erfolgreich in der sehr jungen und jugendlichen Zielgruppe etabliert hat. Das Spiel erzielte 2018 mehr als 5,4 Milliarden US-Dollar Umsatz, 2019 dann 3,7 Milliarden US-Dollar. Der Gewinn aus beiden Jahren betrug 5,5 Milliarden US-Dollar. Damit ist Fortnite seitdem eines der profitabelsten digitalen Spiele. Im Jahr 2020 wurden 5,1 Milliarden und dann in 2021 der Rekordwert von 5,8 Milliarden US-Dollar Umsatz erzielt, dies mit ca. 400 Millionen registrierten Gamern weltweit.

In einem gerichtlichen Vergleich mit der US-Verbraucherschutzbehöre FTC verpflichtet sich Epic Games 275 Millionen Dollar Strafe zu zahlen. Darüber hinaus erhalten Fortnite-Kunden für die unbeabsichtigten Einkäufe digitaler Güter eine Rückzahlung von 245 Millionen Dollar. Damit beläuft sich die Gesamtstrafe auf 520 Millionen Dollar.

Das Geschäftsmodell wird jedoch von besorgten Eltern inzwischen nicht nur kritisch hinterfragt. Aktuell richten sich zwei Klagen gegen den Hersteller Epic Games in den USA und in Kanada.

Fortnite Mobile von Epic Games

Fortnite Mobile von Epic Games

 

Pressemitteilung

vom Institut für Ludologie und Esportionary

Rechtliche Schritte gegen Epic Games

Das Videospiel Fortnite vom Spielehersteller Epic Games setzt auf unterschiedliche Geschäftsmodellmuster. Eines dieser Muster ist eine Geldillusion, die dafür sorgt, dass Spieler in der Fortnite-Währung V-Bucks denken und den Bezug zur realen Währung verlieren. Hierdurch geben sie mehr Geld aus als sie in Echtgeld tun würden, wie eine Studie der Ökonomen Georg Stadtmann und Timo Schöber gezeigt hat. Auf Basis der Veröffentlichung der beiden Ökonomen ist Epic Games in den USA durch Verbraucherschutzorganisationen verklagt worden. Hintergrund ist die in Fortnite genutzt Geldillusion, insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Spiels durch Kinder. Auch das Institut für Ludologie hatte hierzu berichtet. Der Fall ist auch durch andere wissenschaftliche Plattformen aufgegriffen worden, etwa die juristische Fachzeitschrift SpoPrax. Gleiches gilt für eine mediale Aufbereitung der Veröffentlichung der Viadrina-Forscher, zum Beispiel bei der Bild-Zeitung.

Im Dezember 2022 ist nun erneut rechtlich gegen Fortnite und Epic Games vorgegangen worden. Ein Richter im kanadischen Québec ließ eine Klage gegen Fortnite zu. Es würde darum gehen, die berechtigten Befürchtungen zu untersuchen, dass Fortnite ein Risiko darstelle, insbesondere hinsichtlich Suchtthematiken. Dabei wird von anwaltlicher Seite auch eine Analogie zur Tabakindustrie vorgebracht, gegen die bereits mehrfach erfolgreich juristisch vorgegangen worden ist. Man gehe zwar nicht davon aus, dass das Spiel absichtlich süchtig machen solle, aber das der Publisher wisse, dass Fortnite süchtig machen könne, ohne dem aktiv entgegenzuwirken, so heißt es weiter vom Gericht.

Meldung von Global News vom 08.12.2022

Geldillusion, Spielsucht und Fortnite

Nun findet sich Fortnite also nicht nur wegen ökonomischer Faktoren wie der Geldillusion in der juristischen Aufarbeitung wieder, sondern auch wegen Aspekten der Spielsucht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2018 genau definiert, was eine krankhafte Online-Spielsucht ausmacht. Hierunter fallen:

  • Kontrollverlust beim Spielen (z.B. Häufigkeit und Dauer)
  •  Das Spielen wird prioritär gegenüber allen anderen Aktivitäten behandelt
  •  Es wird weitergespielt selbst bei negativen Konsequenzen


Die kanadische Gerichtsbarkeit wird sich mit der Fragestellung beschäftigen müssen, ob und inwieweit Fortnite in das Cluster dieser Definitionsmerkmale hineinpasst. Dass das Spiel Suchtpotenziale aufweist, dürfte aber unstrittig sein. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Spieler eine gewisse Zeit in vielen Videospielen verbringen müssen, um mit ihren Mitspielern und Kontrahenten beim Spielfortschritt mithalten zu können.

Dennoch kann das Krankheitsbild der Gaming Disorder kritisiert werden. Zum einen, weil es zu Fehlinterpretationen und wissenschaftlichen Biases, also Vorurteilen kommen kann. Man denke etwa daran, dass Kinder und Jugendliche Medien heutzutage anders nutzen als früher. Darüber hinaus kommen verschiedene Studien zu dem Schluss, dass Gaming-Sucht eher eine Randerscheinung ist.

Zum anderen könnte eine Pathologisierung von eigentlich gesunden Menschen zu einer Stigmatisierung einzelner Personen sowie ganzer Gruppen führen. So sind beispielsweise die Grenzen zwischen exzessivem Spielen und Suchtverhalten nicht hinreichend untersucht und klar abgegrenzt. Darüber hinaus gelten derartige Phänomene und Suchtpotenziale nicht nur für Online-Spiele, sondern auch für Social Media Plattformen wie Instagram oder Twitter, Videoportale wie YouTube und Streaming-Dienste wie Twitch. Eine Verengung auf die Gaming-Branche oder gar einen einzelnen Spieletitel erscheint daher unzulässig.

Wissenschaftliche Einordnung

„Wir konnten in unserer Untersuchung aufzeigen, dass Epic Games in Fortnite mit einer Vielzahl von Geschäftsmodellmustern arbeitet. Ein Instrument ist die Geldillusion, die aus der virtuellen Währung V-Bucks resultiert. Dafür sind vor allem Kinder und Jugendliche anfällig. Aber auch Erwachsene sind hiervor nicht gefeit. Insofern sind die Klagen gegen Epic Games in unseren Augen gerechtfertigt.“

Prof. Dr. Georg Stadtmann, Professor Europa-Universität Viadrina, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insb. Makroökonomie, Lehrbeauftragter University of Southern Denmark

 

„Der Erfolg von Fortnite ist nicht grundlos vorhanden. Epic Games weiß ganz genau, welche Mechanismen bei Spielern wirken und wie hieraus Umsätze generiert werden können. Insbesondere die Differenzierung von Produkten als auch der Effekt, mit anderen mithalten zu wollen, kommen im Spiel sehr bewusst zum Einsatz. Das erzeugt Druck bei jungen Menschen, die durch die im Spiel implementierte Geldillusion den Bezug zu den eigentlichen Kosten verlieren.“

Dr. Timo Schöber, Leiter HR & Gameful Design am Institut für Ludologie, Leiter Esportionary, Postdoc Europa-Universität Viadrina

 

„Suchtproblematiken in Computerspielen werden häufig überzeichnet dargestellt. Während also Klagen gegen Epic Games auf Basis ökonomischer Betrachtungen sinnvoll sein mögen, ist dies bei Gaming Disorder weit weniger klar. Dass, was in der Gesellschaft häufig als Online-Spielesucht gesehen wird, ist keine Sucht, sondern ein neuartiges Nutzungsverhalten ohne Kontrollverlust. Die Grenzen und Übergangsbereiche zwischen exzessivem Spiel und den Verhaltenssüchten sind bis heute nicht ausreichend erforscht und eindeutig definiert. Hier besteht Handlungsbedarf, der durch die aktuelle Klage gegen Fortnite ersichtlich wird. “

Prof. Dr. Jens Junge, Direktor des Instituts für Ludologie, Professor SRH Berlin University of Applied Sciences


Berichterstattung zu dieser Pressemitteilung u.a. beim NDR vom 21.12.2022 : "Fortnite"-Entwickler muss Rekordstrafe zahlen